Weil zu Lebzeiten einige Dinge unausgesprochen blieben, wendet sich die Amerikanerin Tina Plantamura in einem emotionalen Brief an ihre verstorbene Schwiegermutter. Tina störte sich immer daran, wie kritisch ihre Schwiegermutter die Erziehung ihrer drei Söhne beäugte . „Du hast mir damit immer den Wind aus den Segeln genommen“, schreibt sie direkt zu Beginn. Doch das ist noch längst nicht alles.
Die drei Jungs wurden von ihrer Großmutter von vorne bis hinten verhätschelt. „Du gabst ihnen alles, was sie wollten. Du konntest nie NEIN sagen.“ So schreibt Tina, dass ihre Schwiegermutter den Kindern Süssigkeiten vor dem Essen erlaubte, und ihnen ständig kleine (und zu besonderen Anlässen sogar unnötig große und teure) Geschenke machte. „Ich nahm es dir übel, dass du ihnen zum Geburtstag und zu Weihnachten die besten und teuersten Geschenke gekauft hast. Wie hätte ich da mithalten können?“ Die drei bekamen immer ihr Lieblingsessen vorgesetzt und bei jedem kleinen Pieps war sie sofort zur Stelle, um ihren Enkeln jeden Wunsch von den Augen abzulesen.
Tina wusste natürlich, dass Großmütter ihre Enkel gerne verwöhnen, aber ihre Schwiegermutter trieb es auf die Spitze. Tina befürchtete, dass das Verhalten ihrer Schwiegermutter ihre Söhne zu selbstsüchtigen Gören verziehen würde, die nur materielle Werte zu schätzen wüssten. „Ich wollte nicht, dass sie dich nur mit Geschenken und Süssigkeiten in Verbindung bringen. Ich fand, sie sollten dich deinetwegen lieben.“ Aber Tinas Schwiegermutter ließ sich nicht belehren.
Doch dann verstarb Tinas Schwiegermutter und ihre Söhne verloren dadurch viel zu früh und zu plötzlich ihre Großmutter. Ihre gemeinsame Zeit endete vollkommen unerwartet und Ereignisse wie Schulabschlüsse oder Familienfeste mussten fortan ohne ihre Oma stattfinden.
Erst jetzt begann Tina zu verstehen, dass all die Großzügigkeit ihrer Schwiegermutter – all die Geschenke, Süssigkeiten und die ständige Aufmerksamkeit – ein Ausdruck tiefer Liebe waren. „Deine großmütterliche Liebe kannte keine Grenzen“, schreibt Tina und ihrem Brief und gesteht: „Ich habe deine Großzügigkeit völlig falsch eingeschätzt.“
Tinas Söhne sind mittlerweile Teenager und selbstverständlich vermissen sie ihre Großmutter. Aber wie Tina schreibt, vermissen sie nicht die Geschenke oder das Geld: „Sie vermissen dich.“ Sie vermissen die Zeit mit ihrer Großmutter, die Gespräche mit ihr und ihre Liebe. Jedes Mal, wenn sie mit ihren Söhnen einen besonderen Moment erlebt, muss Tina an ihre Schwiegermutter denken.
Heute hätte Tina kein Problem damit, wenn ihre Schwiegermutter die drei Kinder mit Geschenken, Süßigkeiten und viel zu viel Aufmerksamkeit überhäufen würde – denn heute weiß Tina, dass das alles ein Zeichen großmütterliche Liebe wäre. Könnte Tina ein letztes Mal mit ihrer Schwiegermutter sprechen, würde sie ihr sagen, dass sie diese Form der Liebe mittlerweile verstanden hat und dass sie ebenfalls verstanden hat, dass es ihr Freude und Erfüllung gab, die Großmutter dieser drei Jungs zu sein.
„Dafür“, schreibt Tina abschließend, „und für jede Süßigkeit, jedes Geschenk und jedes Mal, wenn du sie zu lange umarmt hast, getröstet hast oder aufbleiben ließest, werde ich dir ewig dankbar sein.“