Es gibt Freizeitbeschäftigungen, die sehr viele Menschen teilen. Millionen Fußballfans verfolgen regelmäßig die Siege und Niederlagen ihrer Lieblingsmannschaft vor dem Fernseher oder direkt im Stadion. Nicht wenige spielen an den Wochenenden sogar selbst in einem Amateurverein. Es gibt aber auch Menschen, die ihre freie Zeit mit einem ganz besonderen und eher seltenen Hobby verbringen – wie Andrew Lumish aus Florida (USA).
Seit mehreren Jahren besucht der 47-Jährige regelmäßig am Sonntag Friedhöfe in der Umgebung von Tampa. Dort reinigt er nicht nur die Grabsteine von Menschen, die bereits vor über hundert Jahren verstorben sind, sondern erforscht oft auch deren Geschichte. Vor allem die Gräber von Veteranen und deren Familien stehen im Zentrum von Andrews Aufmerksamkeit, aber nicht ausschließlich. Ihm ist wichtig, dass diese Menschen nicht vergessen werden. Damit ehrt er nicht nur die Verstorbenen, sondern löst auch so manches Familienrätsel.
Auf die Idee kam der Eigentümer eines Reinigungsunternehmens im Jahre 2011. Andrew schoss gerade auf einem historischen Friedhof mehrere Fotos, als er eine besondere Eingebung hatte:
„Irgendwie war mir nicht wohl bei dem Gedanken, dass die Grabsteine in einer derart schlechten Verfassung waren. Es ärgerte mich sehr, dass sich niemand um sie kümmern wollte“, sagte Andrew. „Deshalb habe ich mir selbst Restaurierungstechniken beigebracht, wie sie auf manchen Friedhöfen angewendet werden. Anstatt sonntags Football zu schauen, restauriere ich. Über 500 Grabsteine habe ich bisher wieder hergerichtet.“
Und dafür muss Andrew viel Geduld haben. Für einige Grabsteine benötigt der 47-Jährige bis zu vier Monate: „Etwa solche, die seit 1890 unter einer 200 Jahre alten Eiche stehen, nehmen viel Zeit in Anspruch. Allerlei Pflanzenbewuchs, Pilze und jedes Jahr Hochwasser können viel anrichten. Jahrzehnte oder Jahrhunderte der Vernachlässigung machen daraus eine Herkulesaufgabe.“
Im Rahmen der langwierigen Säuberung eines Grabsteins erforscht Andrew auch die Geschichte der Verstorbenen. Alte Zeitungen, genealogische Datenbanken oder Familiengruften verraten oft tragische Details aus dem Leben oder vom Tod der Begrabenen.
Kriegshelden, die ihre Frau und Kinder für eine andere Geliebte verließen, oder junge Frauen, die Selbstmord begingen – Andrew macht die Grabsteine nicht nur wieder lesbar, sondern deckt Schicksale auf. Bilder der Grabsteine und Details aus der Biografie der Verstorbenen postet er dann auf Facebook, um an das turbulente Leben jener Menschen zu erinnern.
Ein restaurierter Grabstein löste sogar einen über Jahrzehnte schwelenden Familienkonflikt. Ein Veteran aus dem 2. Weltkrieg war gestorben, bevor er seine Enkelin kennenlernen konnte. Sein Sohn hatte jedoch ein schwieriges Verhältnis zu ihm, weshalb er seiner Tochter nichts von ihrem Großvater erzählen wollte; es war für ihn zu qualvoll. Als die Enkelin jedoch eines Tages den restaurierten Grabstein sah, eilte sie zu ihrem Vater. Als dieser vor dem erneuerten Grabmal stand, konnte er seinen Schmerz endlich überwinden. Der Mann war derart gerührt, dass er seiner Tochter alles über ihren Großvater erzählte.
Andrew hat mittlerweile viele Menschen inspiriert, es ihm gleichzutun und ebenfalls das Andenken an Verstorbene zu bewahren. Nicht nur die Namen der Begrabenen sind nach einer Restaurierung wieder zu lesen, auch die Erinnerung an sie lebt dadurch weiter – dank des ganz besonderen Hobbys eines Mannes.