Kinder können sehr grausam zu denen sein, die ein bisschen anders sind. Oftmals greifen die verantwortlichen Erwachsenen nicht ein, wenn es nötig wäre, sondern lassen den Gemeinheiten sogar freien Lauf. Besonders bei Jungen wird jedes Detail, das ein bisschen zu feminin erscheint, gnadenlos lächerlich gemacht. Kein Wunder, dass man zwar Mädchen in Hosen sieht, aber fast nie einen Jungen in einem Kleid – allein der Weg zur Schule und zurück wäre ein echtes Risiko.
Jasmine Vine aus dem südlichen Australien war seit ihrer frühesten Kindheit solch bedrückenden Situationen ausgesetzt. Die junge Transfrau wurde im Körper eines Jungen geboren und bereits im Kindergarten von Gleichaltrigen mit homophoben Schimpfwörtern schikaniert. Bei jeder Gelegenheit wurde dem Kind eingehämmert, dass etwas mit ihm angeblich nicht stimme, dass es nicht dazugehöre und weder Freundschaft noch Unterstützung verdiene. Die Zeit, in der Kindern alle Möglichkeiten offenstehen sollten, auszuprobieren, was sie mögen und wer sie sein wollen, wurde zur Tortur.
Jasmines Zuhause bot auch keinen sicheren Hafen. Ihre Eltern hatten ihre eigenen Probleme, waren drogenabhängig und gewalttätig. Jasmine hatte keinen Rückzugsort, an dem sie einfach sie selbst sein konnte. Mit nur sieben Jahren dachte sie zum ersten Mal daran, ihr Leben zu beenden.
Irgendwie schaffte das einsame Kind es, sich genug Hoffnung auf bessere Zeiten zu machen und sein tristes Leben weiter auszuhalten. Als Jasmine 14 Jahre alt wurde, war ihr bereits klar, dass sie nicht wirklich ein Junge war. Alle Grausamkeiten ihres Umfeldes hatten diese Wahrheit nicht aus ihr herausprügeln können. Der Teenager begann, sich Stück für Stück das Leben zu erkämpfen, das er sich wünschte.
Jasmine dokumentierte die Fortschritte ihrer Wandlung auf ihrem YouTube-Kanal, wo sie zum ersten Mal Zuspruch, Mitgefühl und Unterstützung erfuhr. Menschen auf der ganzen Welt konnten ihr Mut machen und ihre eigenen Geschichten erzählen. Sie fühlte sich mit ihrer Situation nicht länger allein, andere machten dasselbe durch wie sie.
Doch die Jahre ihrer Kindheit hatten ihrer Psyche bereits schwere Verletzungen zugefügt. Wie viele Opfer eines gewalttätigen Elternhauses kämpfte Jasmine in den kommenden Jahren mit Depressionen, Angstzuständen und Drogenabhängigkeit. Sie gelangte an den Punkt, an dem sie sich in die Obhut einer psychiatrischen Klinik begeben musste, wo sie zum Glück endlich echte Hilfe bekam.
Das eine, was Jasmine während ihrer schlimmen Jahre nie abhandengekommen war, war das sichere Wissen um ihre Identität als Frau. Auch in Zeiten, in denen die psychischen Erkrankungen sie am Sinn ihres Lebens zweifeln ließen, hatte sie den emotionalen Anker, sich selbst zu kennen.
Während ihrer Therapie dachte sie viel an die Zeit, in der sie über das Internet in Kontakt mit Menschen gewesen war, die Ähnliches durchmachten wie sie. Das Gefühl, mit ihren Erfahrungen anderen helfen zu können, war eine der besten Erinnerungen ihres Lebens. Das war es, was sie dauerhaft tun wollte.
Jasmine ließ sich zur Therapeutin und zum Coach ausbilden und begann, andere Transmenschen auf ihrem Weg unterstützend und beratend zu begleiten.
„Ich werde so vielen Menschen helfen, ihr Leben zum Besseren zu wenden, wie ich nur kann“, berichtet sie stolz. „Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal zu der glücklichen Transfrau werden könnte, die ich heute bin. Aber ich habe es geschafft und andere können das auch! Ich will, dass sie wissen, dass man viele schreckliche Dinge erleben und trotzdem zu einem glücklichen, selbstsicheren Menschen werden kann.“
Jasmine ist ganz die Person geworden, die sie immer sein wollte: eine Frau, die anderen dabei hilft, sich aus schlimmen Umständen zu befreien und zu inneren Frieden mit sich selbst zu finden.
Quelle: boredpanda
Vorschaubild: ©Instagram/jasmine.vinee