Die meisten Kinder kennen das Märchen „Dornröschen“, in dem die schöne Prinzessin nach einem langen, schier endlosen Schlaf endlich von ihrem Prinzen wachgeküsst wird. Die folgende Krankheitsgeschichte von Beth Goodier erinnert ein wenig an dieses Märchen.
Die 22-Jährige Beth aus Stockport in Großbritannien leidet seit 5 Jahren am sogenannten „Dornröschen-Syndrom“. In der Medizin kennt man diese Krankheit unter dem Namen „Kleine-Levine-Syndrom“ (KLS). Und so begann die Krankheit bei Beth: Als sie 16 Jahre alt war, fiel sie plötzlich in einen 22-stündigen Schlaf, nachdem sie bereits mehrmals über andauernde Müdigkeit und Erschöpfung geklagt hatte. Verzweifelt versuchte ihre Mutter Janine, sie zu wecken, doch ohne Erfolg. Beth stammelte nur ein paar zusammenhanglose Worte mit der Stimme einer Fünfjährigen. Die besorgte Mutter befürchtete nun das Schlimmste und dachte zunächst an einen Gehirntumor.
Doch im Krankenhaus stellten die Ärzte dann eine andere Diagnose: KLS. Weltweit sind nur etwa 1.000 Menschen von dieser Krankheit betroffen. Die Patienten schlafen im Schnitt 7 bis 14 Tage am Stück. Während der Schlafphasen kann sie nichts und niemand aufwecken: keine lauten Geräusche, Medikamente oder Berührungen.
Beth hatte sich erst kurz vor dem Ausbruch der Krankheit von einer Mandelentzündung erholt. Ihre Ärzte glauben, dass diese der Grund für ihre Erkrankung ist. Bei manchen Menschen mit einer genetischen Prädisposition kann eine Infektion zu einer Entzündung im Gehirn führen. Dabei ist es möglich, dass der Thalamus (der größte Teil des Zwischenhirns) und der Hypothalamus (ein Abschnitt des Zwischenhirns) beschädigt werden. Diese Hirnabschnitte sind für das Schlafverhalten und die Sinneseindrücke verantwortlich.
Seit ihrer Erkrankung hatte Beth mehr Schlaf- als Wachphasen. Ganze 75 Prozent ihres Lebens verbringt sie nicht im Wachzustand. Das junge Mädchen verschläft also praktisch den Großteil ihres Lebens. Doch während des Schlafens liegt Beth nicht immer nur in ihrem Bett. Sie schlafwandelt sehr häufig, wie ihre Mutter beobachtet: „Beth schlich wie in Trance durch das Haus, ging auf die Toilette und nahm das Essen, was ihr über den kompletten Tag gefehlt hatte, zu sich.“
Beth war früher eine sehr selbstbewusste und extrovertierte Jugendliche, die davon träumte, Abitur zu machen und Kinderpsychologin zu werden. Doch seitdem sie eine von 100 KLS-Patienten in England wurde, sind diese Karriereziele nicht mehr realisierbar. Sie musste das College vorzeitig abbrechen.
Nicht wenige KLS-Patienten verändert die Krankheit auch psychisch. Der Neurologe Dr. Leschziner erklärt dazu: „Sie fühlen sich, als wären sie in einem Traumstadium von ihrer Außenwelt abgeschnitten. Wenn sie aufwachen und merken, was sie alles verpasst haben, können sie depressiv und ängstlich werden.“
Janine leidet mit ihrer Tochter: „Das härteste Jahr war, als alle ihre Freunde das Abitur machten und zur Uni gegangen sind, denn Beth wusste, als sie wach wurde, dass sie eigentlich dazugehört, und das verletzte sie sehr.“
Beth verbringt zwar die meiste Zeit ihres Lebens schlafend im Pyjama. Dennoch hat sie einen Freund, den sie vor 3 Jahren in einer ihrer Wachphasen kennenlernte. Ihr Liebster Dan, ein 25-jähriger Grundschullehrer, weicht seit diesem Tag nicht von ihrer Seite: „Fast jeden Tag sitzt er an ihrem Bett, redet mit ihr und wartet darauf, dass sie bald wieder zurückkommt.“
Derzeit befindet sich Beth schon seit dem 13. September 2016 in einer Schlafphase. Schon bald sind es 3 Monate, und ihre Familie und Dan wünschen sich nichts sehnlicher, als dass die hübsche junge Frau wieder aufwacht.
Doch eventuell gibt es Hoffnung für Beth. Denn in vielen Fällen hören die Schlafphasen wieder auf. Vielleicht kann Beth irgendwann doch noch ein ganz normales Leben führen. Zu wünschen wäre es ihr auf jeden Fall!