Frischgebackene Eltern platzen zu Recht fast vor Stolz und zeigen gerne ihren Nachwuchs herum, dessen zahnloses Strahlen allseits mit gurrenden Lauten und „O, wie süß!“-Ausrufen quittiert wird. Diese Erfahrung hat Natalie Weaver mit ihrer Erstgeborenen nie machen können. Stattdessen hat die US-Amerikanerin aus North Carolina ihre Tochter in den ersten Lebensjahren so gut wie möglich vor der Öffentlichkeit versteckt – aus Angst vor starrenden Blicken und hasserfüllten Kommentaren.
Die mittlerweile 9-jährige Sophia wurde mit schweren Gesichtsdeformationen geboren. Zudem leidet sie am Rett-Syndrom; die seltene Entwicklungsstörung führt unter anderem dazu, dass die Betroffenen im frühen Kindesalter bereits erlernte Fähigkeiten wieder verlernen. Aufgrund seines Aussehens bekommt das Mädchen schon als Baby extreme Reaktionen von ihren Mitmenschen; für die Mutter ist dies so schmerzvoll, dass sie ihre Tochter zum Schutz größtenteils zuhause versteckt hält. Bis sie es nicht mehr aushält.
Die 3-fache Mutter will nicht länger hinnehmen, dass ihr unschuldiges Kind als „Monster“ betitelt wird. Sie gründet einen Verein und kämpft für die Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen wie denen von Sophia. Aber auch dafür, dass diese Kinder als gleichwertige und lebensberechtigte Menschen angesehen werden. Deshalb ist die Amerikanerin bis ins Mark erschüttert, als sie erfährt, dass jemand ungefragt ein Bild von Sophia auf Twitter gestellt hat – und sich dafür einsetzt, dass Kinder wie sie abgetrieben werden sollen.
Diese Person spricht sich dafür aus, dass eine Fruchtwasserpunktion für Schwangere verpflichtend wird; sollte dabei eine Behinderung des Ungeborenen festgestellt werden, soll die werdende Mutter zur Abtreibung gezwungen werden. Möchte sie es dennoch austragen, so sollen die Eltern laut diesem Verfechter auch allein die folgenden Behandlungskosten für das Kind tragen. Unter einem Bild der 9-Jährigen steht dazu: „Es ist in Ordnung zu denken, dass alle Kinder zählen, aber viele von ihnen tun das nun einmal nicht.“
Natalie ist absolut entsetzt, dass jemand, der Sophia nicht einmal kennt, der nicht weiß, wie sehr sie von ihrer Familie geliebt wird, wie sehr ihr Lachen ihr Leben bereichert, so etwas über das Mädchen schreiben kann. Doch noch entsetzter ist die Mutter, als sich Twitter weigert, den Post von der Seite zu nehmen, da er nicht gegen die Richtlinien verstoße. Das will Natalie nicht auf sich sitzen lassen: Sie startet eine Petition und sammelt tausende von Stimmen, um den Onlinedienst zu zwingen, sich genauer mit dem Fall auseinanderzusetzen.
Mit Erfolg: Dank all der wütenden Stimmen löscht Twitter tatsächlich den Account der Person, der Sophias Bild auf diese scheußliche Art und Weise missbraucht hat. Die Familie der 9-Jährigen ist unendlich erleichtert. Doch Sophias Eltern wissen auch, dass der Kampf weitergeht und sie sich jeden Tag für ihre Tochter einsetzen müssen. Denn solche Grausamkeiten werden Sophia im echten Leben wie im Internet auch weiterhin begegnen.
„Ich werde mich nicht von Hass zum Schweigen bringen lassen“, so Natalie Weaver. „Sophia ist ein Geschenk. Egal, wie müde ich bin, ich werde alles tun, um mein Kind und andere zu beschützen, auch wenn es manchmal hart ist. Aber Sophia ist die stärkste Person, die ich kenne.“ Das hat das Mädchen gewiss auch von seiner Mutter.