Wenn man das Wort „Mumien“ hört, denkt man unwillkürlich an die Körper der Pharaonen aus dem Alten Ägypten. Doch Mumien entstehen nicht nur, indem man einen Leichnam einbalsamiert, sondern auch zufällig, wenn die klimatischen Rahmenbedingungen stimmen.
Das Geheimnis der Tarim-Mumien
So ist es auch mit mehreren hundert Verstorbenen geschehen, die an verschiedenen Stellen des östlichen Tarimbeckens und in der chinesischen Taklamakan-Wüste gefunden wurden und die als die Tarim-Mumien in die Geschichte eingingen.
Die Tarim-Mumien wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt, die ältesten unter ihnen stammen aus einer Zeit um etwa 2.000 v. Chr. Sie wurden nicht künstlich mumifiziert, sondern sind in der extrem trockenen und kalten Witterung auf natürlichem Wege eingetrocknet.
Die Areale, in denen sie gefunden wurden, scheinen über einen sehr langen Zeitraum genutzte Friedhöfe zu sein. Besonders interessant ist für Historiker, dass viele der Verstorbenen europäische Gesichtszüge und helle Haare hatten. Sie tragen bunte, reich verzierte Kleidung sowie kunstvollen Schmuck und haben persönliche Gegenstände bei sich.
Ein Sensationsfund
Einige von ihnen sind so gut erhalten und sehen so eindrucksvoll aus, dass sie von den Archäologen eigene Namen bekamen und in zahlreichen Zeichnungen und Fotografien abgebildet wurden: etwa ein großer rothaariger Mann, der „Chärchän-Mann“ getauft wurde, ein kleines Baby mit einer farbigen Filzkappe und eine Frau mit kastanienbraunem Haar, die die „Schöne von Xiaohe“ genannt wird. Manche der Tarim-Mumien sind so gut erhalten, dass ihre Gesichtszüge und ihre Frisuren noch immer erkennbar und sogar ihre Wimpern noch vorhanden sind.
Das europäische Äußere vieler der Mumien erstaunte im Laufe der Jahrzehnte die Forscher immer wieder. Manche glaubten gar, die Mumien seien ein Betrug für Touristen. Wie waren diese Menschen in die chinesische Taklamakan-Wüste gekommen?
Man ging bis jetzt davon aus, dass eine solch bunte Zivilisation in dieser kargen, unwirtlichen Ecke der Welt nicht hätte entstehen können. Die Gefundenen mussten europäische Einwanderer sein, die mit Pferden den Weg zum Tarimbecken zurückgelegt hatten. Doch sie hatten Getreidearten bei sich, die im nördlichen China domestiziert wurden, und begruben ihre Toten mit Ephedra-Zweigen, einer Pflanze, die in Zentralasien als Heilpflanze gilt. Man fand bei ihnen Stücke eines durch Fermentation hergestellten Käses, wie er im nördlichen Kaukasus gemacht wurde.
DNA-Analysen sorgen für Klarheit
Inzwischen haben Wissenschaftler die DNA von 13 der Mumien der Seidenstraße analysiert und die Ergebnisse zeigen, dass es sich um eine Population handelt, die sich seit tausenden von Jahren in einem genetisch isolierten Kreis bewegt hat: keine Wanderer, sondern eine indigene Bevölkerung.
Diese Entdeckung begeistert zwar Geschichtsforscher, die sich mit Migration und Bevölkerungsentwicklung beschäftigen, die chinesische Regierung scheint jedoch von den Funden weniger angetan. Im Jahre 2011 beendete China abrupt und ohne Begründung eine Wanderausstellung mit den berühmten Mumien, nachdem sie bereits seit Monaten in Nordamerika gezeigt worden war.
Anscheinend haben Menschen verschiedener Ethnien schon seit der Bronzezeit ganz selbstverständlich in derselben Gegend gelebt. Wie spannend, dies auch durch DNA-Analysen bestätigt zu sehen.
Quelle: elpais
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